Wie könnte ein Wimmelbuch für Erwachsene aussehen?

Die Nachfrage nach Wimmelbüchern ist unter Erwachsenen gar nicht wenig. Googlet man “Wimmelbuch für Erwachsene” findet man Foren und Seiten, in denen disskutiert und platziert wird, welches Wimmelbuch am Besten für Erwachsene geeignet ist (Bspw. https://www.bestereviews.at/wimmelbuch-erwachsene?targetid=dsa-390857331805&matchtype=&device=c&campaignid=14294937115&creative=539366533150&adgroupid=134541177828&feeditemid=&loc_physical_ms=1000821&loc_interest_ms=&network=g&devicemodel=&placement=&keyword=$&target=&aceid=&adposition=&trackid=at_all_top_1_1&mId=407-132-4411&trackOld=true&gclid=Cj0KCQiA8t2eBhDeARIsAAVEga1l1Xnx6PgqIj8qgcs2YPziDQXO3bw_E5CkPYd1ZIhm5Jynha3MfTkaAuAVEALw_wcB). Die beliebtesten hierbei sind Bücher der Reihe “Pierre, der Irrgarten-Detektiv”. Jedoch wurden diese nicht für Erwachsene gebschrieben. Das Empfohlene Lesealter hierbei ist 5-9 Jahre. Sollte es nicht Wimmelbücher geben, welche nur für Erwachsene gemacht wurden und somit andere Themen visualisieren und vielleicht auch eine andere Wirkung bei den Leser:innen erziehlen? Die einzige 2 Wimmelbücher für Erwachsene, welche ich finden konnte waren “Finde dein Glück” von Daniel Müller und “Wimmel Pimmel – Finde sie alle” von Lem N Love Publishing (eher Satire).

Ich bin der Meinung, dass man hier für mehr Bandbreite sorgen sollte, da es sich um einen Markt mit Potential handeln könnte. In der Zielgruppe sehe ich vor allem gestresste Menschen, die dem Alltag entfliehen möchten und Lesefaule Menschen, die eine bildschirmfreie Möglichkeit zur Entspannung suchen. Außerdem könnte man so gesellschaftlich relevante Themen leicht verlautbar aufbereiten.

Versuch eine Seite zu Zeichnen, wie sie in einem Wimmelbuch für Erwachsene aussehen könnten (Nur Zwischenstand, mehr Details fehlen)

Wimmelbücher für Erwachsene

Sind Wimmelbücher nur für Kinder?

Der “Vater der Wimmelbücher” Ali Mitgutsch würde dazu ein klares “Nein” abgeben. Laut ihm können sich Kinder sowie Erwachsene für Wimmelbücher begeistern und “auch mal daneben benehmen”. (https://taz.de/Wimmelbuecher-von-Ali-Mitgutsch/!5137008/). Mitgutsch’s Bücher prägten viele Kinder so stark, dass viele Erwachsene heute mit Nostalgie durch seine Bücher blättern.

Ali Mitgutsch (1935-2022) gilt als Vater der Wimmelbücher. Inspiriert wurde er von Dioramen – Schaukästen, in denen Szenen mit Modellfiguren und -landschaften vor einem oft halbkreisförmigen, bemalten Hintergrund dargestellt werden. Seine Bücher bestanden aus Doppelseiten, welche kleine detailierte Alltagssituationen zeigten. Sein Markenzeichen dabei war, dass jede Zeichnung einen nackten Jungen “Manneken pis” beinhaltet, welcher ungeniert uriniert.

Wimmelbücher sind generell “All-Age-Bücher”, das heißt sie richten sich meist an eine breite Altersgruppe. Da sie ohne Text auskommen und sich die Handlung ausschließlich aus den zusammengesetzten Zeichnungen ergibt, regen sie die Fantasie stark an. Erwachsene haben so den positiven Effekt sich gehen lassen zu können und die Gedanken frei wandern zu lassen. Auch gegen “Lesefaulheit” kommen Wimmelbücher an, da sie durch ihre vielen bunten Bilder Neugier erwecken und zum “Lesen” einladen.

Was ist ein Wimmelbuch?

Wimmelbuch = vielfältiges Bilderbuch ohne Text, kommt ohne Text aus → die Handlung ergibt sich ausschließlich aus den Bildern

Wimmelbücher sind All-Age-Bücher. Sie sollen Kindern die reale Vorgänge ihrer unmittelbaren Umwelt veranschaulichen. Sie bieten Kindern und Erwachsenen die Möglichkeit, intensiv miteinander in Kontakt und kreativen Austausch zu treten. Die Kinder können in ihrem eigenen Tempo und nach ihren momentanen Interessen die Seiten „lesen“. Sie interpretieren die Bilder individuell und erzählen somit ihre eigenen Geschichten. Wortschatz, Sprache, Ausdruck und Sprechfreudigkeit werden dabei gefördert und bilden einen wichtigen Grundstein für die Zukunft.

Da Wimmelbücher einen sehr breitgefächerten Inhalt besitzen eignen sie sich auch für die unterschiedlichen Altersgruppen, welche ich in meinem letzten Post behandelt habe. Weiters gibt es Wimmelbücher in Altersabstufungen wie “Mein allererstes Wimmelbuch”, welches einfacher gestaltet ist und sie nach den Richtlinien für jüngere Zielgruppen richtet. Wimmelbücher zeigen den Alltag, verschiedene Berufe, Biologie, Lebensräume und sollen Kindern durch Visualisierung dabei helfen die Welt besser zu verstehen.

Bekannte Wimmelbücher: “Wo ist Walter?”, “Mein großes Wimmelbuch”

Welche Vorteile schafft das (Vor-)Lesen von Kinderbüchern?

Das gemeinsame Lesen von Kinderbüchern stärkt nicht nur die Beziehung zwischen Kind und Bezugsperson. In vielen Untersuchungen hat die Leseforschung festgestellt, dass das spätere Leseverhalten im frühkindlichen Stadium entscheidend geprägt wird.

Schon lange bevor Kinder lesen und schreiben können, entwickeln sie bei der Betrachtung von Bilderbüchern und dem Vorlesen entscheidende Lese- und Sprachkompetenzen. Außerdem fördert das gemeinsame Betrachten von Bilderbüchern mit einer erwachsenen Person, die Erzählfähigkeit der Kinder. Sie lernen wie Geschichten aufgebaut sind und welche sprachlichen Muster und Handlungsmuster vorkommen. 

-> Wie oft und intensiv Eltern gemeinsam mit ihren Kindern lesen, hat dabei große Auswirkungen auf die spätere Lesekompetenz und Lesefreude der Kinder.

Die Universität Boston hat sich in einer Studie mit dem Programm “Zero to three” damit beschäftigt, welche Kriterien für die Auswahl von Bilderbüchern für die Altersgruppe 0 – 3 Jahre zu berücksichtigen sind. Welchen sprachlichen und illustrativen Mittel verwenden Bilderbücher in den jeweiligen Stadien und was gefällt dabei Kindern an Bildern und Sprache.

0-6 Monate: einfache, deutliche Motive, satte Farben, starker Kontrast

große Formate aus Stoff, dickem Karton oder beispielsweise Plastik

6-12 Monate: Bilder oder Fotos von der eigenen Lebensrealität (um diese verständlicher und greifbar zu machen) → Bilder und Fotos von anderen Säuglingen, von der bekannten Umgebung (Stuhl, Tisch, Bett, Babyspielzeug, Haus, etc.), Bilder von Familienmitgliedern (Mama, Papa, Geschwister),

große Formate aus Stoff, dickem Karton oder beispielsweise Plastik

12-24 Monate: Bücher, die an die Erfahrungen der Kinder anknüpfen, mit leicht vorhersagbaren Handlungen, kurzer Text mit Reimen die zum Bild passen, mit Tieren, Kuscheltieren, Fahrzeugen wie Polizei, Feuerwehr, Kinderarzt etc.

große Formate aus Stoff, dickem Karton oder beispielsweise Plastik

24-36 Monate: Bücher mit kurzen Geschichten → Reimtexte zum leichten merken und nachsagen, Geschichte mit leichter wiederholender Struktur, Thematisierung von Größen, Mengen, Zahlen und Buchstaben, Bücher über Kinder aus aller Welt, verschiedene Lebensformen

3-4 Jahre: Bücher mit lustigen Texten, auch mit Widersprüchen und Ironie als Stilmittel, Bücher, die mit Rollenbildern spielen und diese umkehren, Bücher die mit Sprache spielen, Illustrationen / Wimmelbilder, auf denen sich zahlreiche Geschichten entdecken lassen, Geschichten, die zum Nachdenken anregen

5-6 Jahre: Kinder können in diesem Alter bereits längere Geschichten mit weniger Illustrationen erfassen → Bilderbücher, in denen die kindlichen Interessen aufgegriffen werden (Hobbies, zur Schule gehen, Berufe), Serien-Bücher in den Geschichten von den gleichen Helden erzählt werden

Thema Illustration: Geschichtliche Entwicklung von Kinderbüchern

Im 18. Jahrhundert machte die Pädagogik eine große Entwicklung durch. Es wurde erkannt, dass Kinder keine „kleinen Erwachsenen“ sind und man mit ihnen, zu Gunsten ihrer Entwicklung, anders umgehen muss.  Der Genfer Schriftsteller, Philosoph und Pädagoge Jean-Jacques Rousseau hatte hierbei einen enormen Einfluss. Mit seiner Schrift “Emil oder Über die Erziehung” (1762) setzt sich allmählich die Erkenntnis durch, dass Kinder ihre eigene Art haben, “zu sehen, zu denken und zu fühlen“. Rousseau entwirft die “Pädagogik vom Kinde aus”. Um diese durchzusetzen, bekommen Bücher einen neuen Stellenwert: So wird zwischen 1770 und 1790 gewissermaßen die moderne Kinderliteratur erfunden.

Bis ins späte 19. Jahrhundert verfolgten Kinderbücher vorrangig einen erzieherischen Zweck. Man wollte Kindern moralische Wertvorstellungen näher bringen und diese in Geschichten und Märchen verpacken. So entstanden stark überzeichnete und übertrieben dargestellte Illustrationen, die eindringlich auf Kinder wirken sollten. So entstand auch Heinrich Hoffmanns berühmter Struwwelpeter im Jahre 1845. Auch hier lässt sich die erzieherische Botschaft deutlich erkennen.

Wie kann man in Kinderbüchern durch Illustration gezielt Informationen vermitteln?

Durch Illustrationen in Kinderbüchern werden nicht nur Informationen vermittelt, sie ermöglichen es auch, Kinder mit Kunst zu beeinflussen und tragen zur Entwicklung der Denkfähigkeit, Vorstellungskraft und ästhetischen Fähigkeiten von Kindern bei. Illustration ist ein Medium der Sichtbarmachung und Informationsvermittlung. Ob es darum geht charakteristische Eigenschaften hervorzuheben oder Menschen Orientierung zu bieten. Bilder sind, anders als Text, auf einem Blick zu erfassen und sind für den Großteil der Menschheit verständlich (jeder kann etwas hineininterpretieren, anders als bei Schrift (Sprachbarriere, kleine Kinder können nicht lesen).

Das Kinder- und Jugendliteraturgenre ist eine Erfindung der Neuzeit. Denn bis ins 18. Jahrhundert gibt es keine Kinderliteratur im eigentlichen Sinn. Kinder werden bis dahin in erster Linie als “kleine Erwachsene” betrachtet, die Kindheit galt als Übergangsphase.