Synästhesie – wenn Farben klingen und Wörter schmecken

Die Ziffer 5 ist rot, 3 grün, 7 blau. Was zunächst als wahllose Zuordnung erscheint, kann für manche Menschen eine unumstößliche Wahrnehmung sein. Synästhet:innen weisen eine besondere Gehirnstruktur auf: verschiedene Gehirnareale sind auf ungewöhnliche Art und Weise miteinander verbunden. Dadurch ist es möglich, dass etwa Wörter schmecken, Klänge riechen, etc. – unzählige Kombinationen sind möglich. Nach einer wissenschaftlichen Beschreibung der Synästhesie folgt weiter unten im Text ein kurzes Porträt des Wissenschafters Richard E. Cytowic, der Synästhesie ins Zentrum der Aufmerksamkeit der “mainstream science” gerückt hat.

Jamie Ward (2013) beschreibt drei Charakteristika von Synästhesien (Zitat siehe Internetquelle):

  • “Auf einen Reiz (inducer, triggering stimulus) folgt eine synästhetische Wahrnehmung (concurrent).
  • Synästhetische Wahrnehmungen sind unwillkürlich und unterliegen nicht der willentlichen Kontrolle, können aber durch bewusste Steuerung der Aufmerksamkeit (kurzzeitig) ausgeblendet werden.
  • Synästhetische Empfindungen sind ähnlich wie normale Wahrnehmungen, der auslösende Reiz kann eine Information aus der Außenwelt sein, jedoch auch ein Konzept (ein Gedanke, z. B. das Denken an einen Buchstaben, oder eine Idee).”

Der Organisation Deutsche Synästhesie Gesellschaft E.V. ist es wichtig auf ihrer Website darauf hinzuweisen, dass Synästhesie keine Krankheit darstelle. Vielmehr wiesen Synästhet:innen tendentiell positive Merkmale auf (siehe Internetquelle):

  • “erhöhte Kreativität
  • erhöhte Merkfähigkeit
  • bessere Vorstellungskraft/Bilderdenken
  • bessere Detailwahrnehmung
  • verstärkte Sensibilität für Sinneswahrnehmungen
  • erhöhte emotionale Empathie”

Weit verbreitet sind folgende Synästhesieformen (siehe Internetquelle):

  • Graphem-Farb-Synästhesie: Buchstaben und/oder Zahlen sind untrennbar mit einem Farbeindruck verbunden
  • Farbiges Hören: Geräusche und/oder Musik werden gleichzeitig in Farbe und/oder Formen wahrgenommen
  • Sequenz-Raum-Synästhesie: Zeiteinheiten wie z.B. Wochentage, Monate, das Jahr oder auch Ziffern besitzen eine bestimmte räumliche Anordnung bzw. Position vor dem inneren Auge
  • Ordinal Linguistic Personification (OLP): Grapheme werden nicht nur mit Farbe und Form, sondern auch mit einem Geschlecht, Charaktereigenschaften und ggf. Emotionen belegt.
  • Gefühls-Synästhesie: Emotionale Zustände werden farbig und/oder als Form wahrgenommen.
  • Person-Farb-Synästhesie: Persönlichkeiten wird eine jeweils charakteristische Farbe zugeordnet. Auch die Zuordnung von Ziffern ist möglich.
  • Ticker-Tape-Synästhesie: Wahrnehmung von gesprochenen, gehörten, gedachten Worten als „Newsticker“ oder durch Auftauchen der Worte für Sekundenbruchteile vor dem inneren Auge.
  • Lexikal-gustatorische Synästhesie: Worte haben eine bestimmte Geschmacksrichtung und/oder auf der Zunge spürbare Textur.
  • Andere Synästhesieformen: Oft werden auch Geschmacksrichtungen, Gerüche, oder Körperempfindungen, wie z.B. Schmerz durch eine synästhetische visuelle Empfindung begleitet.”

Richard E. Cytowic, MD, MFA ist bekannt dafür, die wissenschaftliche Beschäftigung mit Synästhesie wieder salonfähig gemacht zu haben. Das Phänomen war über Jahrzehnte mit Skepsis betrachtet worden, als er 1979 die Forschung aufnahm, wurde er sogar von Kolleg:innen davor gewarnt, sein Karriere damit zu ruinieren. Heute, einige Publikationen von Cytowic später, wird allerdings die Synästhesie als fundamental dafür angesehen, die menschliche Wahrnehmung zu verstehen.

Dr. Cytowic ist im engen Austausch mit kulturellen Institutionen weltweit und ist ein gefragter Redner auf diversen Veranstaltungen. Bei besonderem Interesse an seiner Person und seinen Publikationen empfiehlt sich ein Blick auf seine Website: https://cytowic.net/.

Quellen:

Ward J. Synesthesia. Annu Rev Psychol. 2013;64:49-75.

Internetquellen:

https://www.synaesthesie.org/de

https://cytowic.net/

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